Inklusion und gesellschaftlicher Zusammenhalt Resilienz stärken und Traumata überwinden: Psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche in der Ukraine
Zahlreiche Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung (MHPSS) in der Ukraine wurden bereits auf den Weg gebracht. Doch die besonderen Bedürfnisse der jungen Generation werden bislang häufig unzureichend berücksichtigt.
Die psychische Gesundheit von Kindern steht im Kriegskontext besonders unter Druck. In unserer Fachveranstaltung am 5. August 2025 haben wir daher unterschiedliche Ansätze vorgestellt, wie Fachkräfte und Organisationen in der Ukraine damit umgehen und welche Wege der Unterstützung sich abzeichnen. Drei parallele Arbeitsgruppen beleuchteten die Themen aus je eigener Perspektive – von Schlafmedizin über psychosoziale Begleitung bis hin zu Hotlines für Kinder und Jugendliche.
Raum 1: Schlaf als Gesundheitsressource
Prof. Dr. Angelika Schlarb (Universität Bielefeld) stellt die Bedeutung von Schlaf als eine der vier zentralen Säulen der Gesundheit heraus. Gerade im Krisen- und Konfliktkontext seien Schlafstörungen bei Kindern eng mit psychischen Problemen verknüpft.
Im Mittelpunkt ihres Beitrags steht ein vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördertes Online-Schulungsprojekt, das ukrainisches Fachpersonal in Diagnostik und Behandlung kindlicher Schlafstörungen weiterbilden soll.
Durch frühzeitige Interventionen wolle man die psychische Gesundheit von Kindern nachhaltig stärken, erklärt Schlarb. Neben Schulungen zur Diagnostik, Schlafhygiene und verhaltenstherapeutischen Empfehlungen sei ein „Train-the-Trainer“-Ansatz entscheidend, um Reichweite zu schaffen. Als kulturell angepasste Methode stellt sie die „28 Bedtime Stories about Kalimba and his friends“ vor, die in Gruppentherapien eingesetzt werden könne. Schlarb betont ihre Offenheit für Kooperationen: Sie suche aktiv nach Partner*innen, um Instrumente für den ukrainischen Kontext anzupassen.
Raum 2: Voices of Children – Psychologische Rehabilitation
Nataliia Masiak und Nataliia Kovtoniuk präsentieren die Arbeit von Voices of Children.
(Externer Link)Ihre Programme richten sich an Kinder aus besonders belasteten Familien – etwa aus Frontregionen, von gefallenen Soldaten oder von Binnenvertriebenen. Im Zentrum der Arbeit stünde ein Drei-Ebenen-Ansatz, der Körper, Emotionen und Gedanken gleichermaßen berücksichtige.
Die Kinder würden Techniken erlernen, die sie weit über die Camps hinaus benutzten können, erläutert Masiak und verweist auf Formate wie Kunst- und Musiktherapie sowie Online-Begleitung. Mütter beispielsweise berichteten von spürbaren Verbesserungen im Alltag ihrer Kinder. Gleichzeitig weisen die Referentinnen auf strukturelle Hürden hin: Das Stigma gegenüber psychologischer Hilfe sei nach wie vor hoch, Fachkräfte fehlten, und die Fallzahl bei posttraumatischen Belasstungsstörungen nehme stark zu
Raum 3: Hotline für Kinder und Jugendliche
Im dritten Raum steht das Projekt Poruch und die nationale Hotline für Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt, vorgestellt von Yana Sinelnichenko.
Das Projekt entstand unmittelbar nach Kriegsbeginn im März 2022 und wird in enger Partnerschaft mit dem ukrainischen Bildungsministerium und UNICEF umgesetzt. Es kombiniert Selbsthilfegruppen, Bildungsmaßnahmen und psychologische Beratung – sowohl online als auch in Präsenz.
Über 100 Psycholog*innen und Sozialpädagog*innen seien inzwischen eingebunden, berichtet Sinelnichenko. Besonders herausfordernd sei der Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt. Auf Nachfrage aus dem Teilnehmendenkreis erklärt Sinelnichenko, dass es hierfür feste Protokolle gebe, inklusive Zusammenarbeit mit Polizei und Fachstellen.
Fazit
Alle Beiträge in den drei Arbeitsgruppen machen deutlich: Kinder in der Ukraine brauchen neben medizinischer und materieller Versorgung vor allem eine stabile psychische Unterstützung. Die Ansätze hierfür reichen von praxisnahen Schlaftrainings über kreative Rehabilitationsmethoden bis hin zu niederschwelligen Hotlines. Entscheidend sei, bestehende Stigmata zu überwinden, Fachkräfte zu stärken und zugleich innovative, kultursensible Instrumente zu entwickeln.
Diese Veranstaltung ist Teil einer Veranstaltungsreihe, die verschiedene Facetten des Themas „Mentale Gesundheit im Wiederaufbau der Ukraine“ beleuchtet. Falls Sie selbst Themen vorschlagen oder sich aktiv einbringen möchten, melden Sie sich gerne.
MHPSS ist ein für den Wiederaufbau der Ukraine zentraler Themenbereich