Peers in practice Bereit für die Dienstreise: Sicher und gut informiert in die Ukraine
Als Grundlage für den Austausch stellt Carsten Hasbach von Siemens Energy den „Travel Guide Ukraine“ vor: Dieser ist im Kontext des Business Advisory Council (BAC) entstanden, einem Gremium, das die internationale Geberkoordinationsplattform, die Ukraine Donor Platform (UDP), berät.
Der Travel Guide ist im Auftrag des Business Advisory Council (BAC) der Ukraine Donor Platform UDP entstanden.
„Wir wollten nicht irgendwelche Reiseführer über die Ukraine kopieren, sondern aus einer ganz praktischen und praxisorientierten Sicht (…) möglichst aktuell und möglichst wirtschafts- und unternehmensrelevante Informationen (…) zusammenfahren,“ erklärt er weiter. Und nennt konkrete Zahlen. Allein die Sicherheitsberatung könne pro Tag mehrere Tausend Euro kosten, hinzu kämen je nach Situation und Unternehmen gepanzerte Fahrzeuge, Hotels mit Schutzräumen und die Anreise an sich. Der Guide enthält Hinweise zur Versicherung, Hotelwahl, Transport und Sicherheitslage – ein Handbuch für Dienstreisen in die Ukraine.
Wie sich diese Risiken konkret anfühlen, schildern anschließend Akteur*innen, die erst kürzlich in Kyjiw, Lwiw oder Uschhorod waren. Pia-Mareike Heyne von der Stadt Leipzig berichtet eindrücklich von ihrer Delegationsreise: „Je näher der Tag der Abreise rückt, desto höher wird der Druck auch von extern.“ Besonders schwierig sei es, die eigene Familie mitzunehmen – im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Wenn jemand aus einer Stadtverwaltung oder einer deutschen Kommune reise, sei das keine Alltagssituation. Da kommen plötzlich Fragen auf wie: Wo liegt das Testament? Wen rufen wir im Notfall an? Habe ich mir vorab die Laufwege auf Google Maps mal angeschaut?
Heyne betont, dass gute Vorbereitung nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional entscheidend ist: „(…) dann steht man da an einem Einschlagsort und dann wird ein Mädchen aus den Trümmern geborgen oder der Vater
eines toten Kindes steht neben einem oder überall sind verletzte Menschen. Und darauf kann man sich einerseits nicht vorbereiten, aber da muss man, wenn man in so einer in so einer Gruppe fährt (…) einmal vorher darüber sprechen, dass das passieren kann und sich eine Struktur zu überlegen, wie man auch miteinander sowas auffängt.“ Pausen, gegenseitige Achtsamkeit und offene Gespräche seien dafür unerlässlich.
Pia-Mareike Heyne und Holger Weiblen teilen ihre Erfahrungen bezüglich Dienstreisen in die Ukraine.
Auch Holger Weiblen von der Solidaritätspartnerschaft Metzingen, Dettingen und Bad Urach mit Arzys in der Oblast Odessa, der bereits mehrfach in der Ukraine war, kann das nachvollziehen – und ergänzt mit einem Moment, der viele Teilnehmende zum Schmunzeln bringt oder auch zum Nicken verleitet: „Bei mir ist es immer so und alle, die mitgefahren sind (…), denen geht es genauso, man hat Angst bis zur Grenze. Wenn man über die Grenze ist, hat man keine Angst mehr, man funktioniert.“
Er betont auch, dass sich Reisen in die Ukraine in mehrfacher Hinsicht lohnen: „Wer in Münster bei der großen [deutsch-ukrainischen kommunalen] Partnerschaftskonferenz war und den eingespielten Videoclip von Selensky gesehen hat, der weiß, und das finde ich sehr bedeutsam, dass die Wertigkeit dieser persönlichen warmen Solidarität, die man von Mensch zu Mensch gibt und vor Ort gibt, von den Ukrainern und von Selenskyj gleichwertig angesehen wird, wie die materielle Hilfe.“
Adrian Schairer von der AHK Ukraine wirbt für einen realistischen, aber nicht ängstlichen Blick: „Wir sagen immer, vor allem an die deutschen Unternehmen: kommt in die Ukraine, wenn ihr Geschäfte mit der Ukraine machen wollt.“„ Delegationsreisen finden auch während des Krieges statt – zuletzt mit dem BDI und dem Unternehmerverband Baden-Württemberg. Eine weitere Reise sei bereits für November geplant, diese stünde allen Branchen offen.
Das größte Hindernis bleibe die Unsicherheit, sagt Schairer: Viele meldeten sich laut Schairer an und springen im letzten Moment ab. “Die Sicherheitseinschätzung ist natürlich immer der Knackpunkt.„ Dabei gebe es inzwischen solide Möglichkeiten zur Absicherung: “Die Barmenia wurde schon im Chat genannt, die können wir empfehlen und die DR-WALTER, also beide Versicherungen, versichern auch passive Kriegsrisiken. Das heißt solange ich mich nicht aktiv an Kampfhandlungen beteilige, sind die abgedeckt.„
Adrian Schairer von der AHK Ukraine berichtet über vergangene Dienstreisen und kündigt eine weitere im November an. Wer daran teilnehmen möchte, kann sich direkt bei ihm melden.
In der Diskussion wird deutlich: Reisen in die Ukraine sind kein Leichtsinn, sondern Ausdruck von Verbundenheit und Resilienz. Andreas Metz vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. bringt es auf den Punkt: “Man verliert die Angst relativ schnell, wenn man über der Grenze ist und es ist halt ein sehr normaler Alltag, den man doch eigentlich in der Regel vorfindet.„ Er ergänzt mit Blick auf den russischen Angriffskrieg: “Ich glaube, der größte Sieg, den Putin in diesem Krieg auch davongetragen hat, ist die Angst, die er uns macht. Mit der Ukraine zusammenzuarbeiten, dort mit der Wirtschaft zu investieren, dorthin zu gehen, da hat leider Russland die größte Wirkung fast erzielt ja,
während man ja sieht, wie tapfer die Ukraine, die in diesem Krieg sich verhält (…) insofern kann ich auch alle nur ermutigen, das wirklich für sich zu überlegen und ich war drei Mal dort und hab sehr, sehr viel Positives mitgenommen.„
Die Veranstaltung zeigt: Reisen in die Ukraine bleiben herausfordernd – aber sie sind möglich. Und sie sind ein Signal: für Mut, Solidarität und Vertrauen in die Zukunft des Landes.
Zum Abschluss lädt Marius Jedlitschka vom Sekretariat der Plattform Wiedraufbau Ukraine die Teilnehmenden ein, sich auch im Nachgang zu vernetzen. Dazu stellt er ein neues Angebot der Plattform vor: Meet your match! Damit will die Plattform Wiederaufbau Ukraine Netzwerke schaffen, in denen konkrete Erfahrungen und spezifisches Wissen geteilt werden. Jedlitschka erklärt: “Wenn wir beobachten, dass es drei Kommunen gibt, die jeweils ein ausrangiertes Feuerwehrfahrzeug in die Ukraine bringen wollen, matchen wir diese drei Akteure, damit die sich untereinander genau zu diesem Thema auf einer Peer-to-Peer-Ebene austauschen können.
Mehr Informationen zu Meet your match
Sie bereiten sich auf eine Reise vor und wünschen sich Austausch mit anderen Praktiker*innen? Wir wollen Ihnen bei der Vernetzung helfen!
Dieses Angebot richtet sich an Akteur*innen, die Reisen aus Deutschland in die Ukraine planen.
Tragen Sie Ihre Kontaktdaten, Orte und Ihren Kontext in unserer Datenbank ein und wir vernetzen Sie in kleinen Gruppen (2-3 Personen), so dass Sie sich über ein Format Ihrer Wahl (WhatsApp/Signal, Online-Call oder bei einem persönlichen Treffen) austauschen können.