Städtischer und kommunaler Wiederaufbau Kommunale Partnerschaften mit Leben füllen: Warum sich Kooperationen mit der Zivilgesellschaft lohnen
Münster, Deutsch-Ukrainische Kommunale Partnerschaftskonferenz, Roter Saal. Olena Buturlym, Bürgermeisterin von Itschnja in der Oblast Tschernihiw, eröffnet die Veranstaltung der Plattform Wiederaufbau Ukraine am 17. Juni 2025 mit einem bewegenden Bericht über den Kriegsbeginn und die unmittelbar einsetzende internationale Solidarität.
Wie kann man kommunale Partnerschaften mit Leben füllen? Das Interesse ist groß auf der SKEW-Konferenz 2025
Besonders hebt sie die Unterstützung durch Deutschland und Frankreich hervor, die damals wie auch jetzt weit über symbolische Gesten hinausginge. Dabei zeigt sie am Beispiel ihrer eigenen Erfahrungen, dass sich aus klassischen Städtepartnerschaften multilaterale Netzwerke entwickeln können:
„Unsere Stadt pflegt bereits seit Langem drei Partnerschaften mit Frankreich. Dann kam die Partnerschaft mit Polen dazu und jetzt mit Grevesmühlen in Deutschland. Grevesmühlen wiederum hat enge Beziehungen mit der Stadt Laxa in Schweden, deren Vertreter uns nun ebenfalls kennenlernen wollen. Es geht um mehr als Austausch – es geht um ein partnerschaftliches Netzwerk europäischer Solidarität.“
Afina Albrecht, Vertreterin der Bürgerstiftung Stuttgart, betont in ihrem Beitrag die Bedeutung von Partnerschaften auf mehreren Ebenen.
„Die Beziehungen zwischen Stadtverwaltungen sind essenziell: Sie schaffen Struktur und Verlässlichkeit. Wenn sich zusätzlich die Zivilgesellschaft auf beiden Seiten aktiv einbringt, entstehen nachhaltige, emotionale Verbindungen sowie horizontale Kommunikationswege.“
Sie skizziert vier konkrete Ebenen, auf denen Städtepartnerschaften operieren sollten:
- Verwaltung und weitere städtische Strukturen wie Schulen, Feuerwehren und Krankenhäuser
- Organisierte Zivilgesellschaft, beispielsweise in Form von Stiftungen, NGOs und ehrenamtlichem Engagement
- Wirtschaft und Investitionsbereich
- Cross-sektorale Foren für Vernetzung, die über die eigenen Funktionen hinausgehen
Sie sieht zwei Rollen, die Bürgerstiftungen übernehmen können: Einerseits in der Vernetzung und dem Empowerment für den Beziehungsaufbau auf Ebene der Zivilgesellschaft, andererseits als eine strukturelle Brücke zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung.
Als Erfolgsbeispiel verweist sie auf Stuttgart: Die Verwaltung zeige Offenheit gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement im Kontext der Städtepartnerschaften, und genau hier übernehme die Bürgerstiftung eine aktive Rolle. Sie unterstütze Initiativen, vernetze relevanten Akteur*innen und ermögliche die Beteiligung der Zivilgesellschaft. Allgemein könne eine Bürgerstiftung privates Kapital einwerben und unabhängig vom Staat Projekte finanzieren oder sogar selbst operativ umsetzen – schnell, zielgerichtet und flexibel. Dabei läge ihre Stärke im bürgerschaftlichen Engagement, geleitet vom Prinzip der Augenhöhe und Beteiligung.
„Meine große Hoffnung ist es, das Modell Bürgerstiftung als wirksames Instrument für die aufstrebende Zivilgesellschaft in die Ukraine zu übertragen. Es schafft eine verlässliche und demokratische Grundlage, um lokale Bedürfnisse eigenständig zu adressieren und dabei den Zusammenhalt durch bürgerschaftliches Engagement zu stärken.“
Klaus Klipp, Vorsitzender der Europa-Union Frankfurt e.V., legt seinen Fokus auf die Jugend: Junge Menschen in Europa hätten bereits ein sehr hohes Informationsniveau, so Klipp – allerdings müssten sie noch mehr in konkrete Partnerschaftsprojekte eingebunden werden.
„Es geht dabei nicht nur um die Aufklärung über hybride Kriegsführung oder politische Zusammenhänge, sondern um das Schaffen echter, emotionaler Bindungen in Europa“, betont Klipp. Nur so könne Europa langfristig als Friedensprojekt stabilisiert werden.
Dr. Viktoriia von Rosen, Vorsitzende des Ukrainian Coordination Center (UCC) und Vizepräsidentin der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft e.V., erläutert, wie die ukrainische Wirtschaft trotz Krieg weiterfunktioniert.
Für sie ist klar, dass der Wiederaufbau längst begonnen hat. Es brauche dabei aber mehr als Hilfe – es brauche echte Kooperationen auf Augenhöhe.
„Die große Mehrheit der ukrainischen Industrie hat 2022 trotz der russischen Aggression weitergearbeitet – das ist Resilienz. Das Ziel der Ukrainerinnen und Ukrainer ist, nicht nur zu überleben, sondern ihre eigene Zukunft zu gestalten.“
Ein leerer Sessel auf dem Panel lädt das Publikum dazu ein, Fragen zu stellen und eigene Erfahrungen zu teilen
Offene Fragen, konkrete Wege
In einer offenen Austauschrunde mit Moderatorin Marta Pastukh von der Plattform Wiederaufbau Ukraine und den vier Referent*innen sprechen Vertreter*innen aus Meerbusch und Wismar über ganz praktische Herausforderungen: Wie kommt man an Fördermittel? Wie aktiviert man ehrenamtliche Strukturen – besonders in Regionen, in denen das Engagement traditionell schwächer ausgeprägt ist? Auch hier zeigt sich: Die Antwort liegt oft in den Netzwerken selbst.
„Multiplikatoren finden, Räume für Austausch schaffen und vorhandene Strukturen – etwa aus der Diaspora – nutzen“, gibt Afina Albrecht als Ratschlag mit.
Am Ende steht ein starkes, gemeinsames Fazit: Der wichtigste Grundstein für jede Städtepartnerschaft ist der Wunsch, sie zu leben.
„Wenn der Wunsch da ist, dann kann daraus Wille werden. Und wenn Wille auf Engagement trifft, entstehen echte Partnerschaften – mit gegenseitiger Wertschätzung und Wirkung“, bringt es ein Teilnehmer aus der Schlussrunde auf den Punkt.
Das Ziel der Veranstaltung ist klar: Partnerschaften mit der Ukraine sollen nicht nur auf Verwaltungsebene gepflegt werden, sondern sich als breite Bewegung durch alle gesellschaftlichen Ebenen ziehen – Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Privatsektor. Die Ukraine ist keine Empfängerin, sondern eine gleichwertige Partnerin in einem Europa, das sich in Zeiten des Krieges neu definieren muss. Sie hat, so der Tenor, auch viel zu geben.
Moderatorin Marta Pastukh, Klaus Klipp, Olena Buturlym, Afina Albrecht und Dr. Victoriia von Rosen
Zusätzlich zum Panel „Kommunale Partnerschaften mit Leben füllen: Warum sich Kooperationen mit der Zivilgesellschaft lohnen“ ist die Plattform Wiederaufbau Ukraine mit einem Stand auf der Konferenz vertreten. Neben Besuchen von S.E. Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine in Deutschland und des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Johann Saathoff, wird der Stand intensiv dafür genutzt, die Teilnehmer*innen der SKEW-Konferenz über die Arbeit der Plattform zu informieren und mit ihnen in einen tieferen Austausch über mögliche gemeinsame Aktivitäten zu gehen.